Der Mensch ist emotional, sentimental, irrational …

… und das wird wohl immer so bleiben.
Eines ist das menschliche Gehirn jedenfalls ganz bestimmt nicht – und da sind sich alle Hirnforscher einig: digital.

Wer das bei der Digitalisierung von Prozessen und beim Führen von Mitarbeitern nicht berücksichtigt, wird erhebliche Probleme und hohe (teure) Fehlerraten bekommen.
Selbst die immer sehr gut vorbereitete Verkehrsluftfahrt hat diese Lektion schmerzlich lernen müssen, wie ich in meinem Artikel „Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen“ bereits ausführlich am Beispiel der Einführung von digitalen, hochautomatisierten Cockpits geschildert habe.

Deshalb wurden ab der dritten Stufe des Crew-Resource-Managements (CRM) in die
definierten Verhaltensmerkmale (behavioral markers) bei Teamführern und Mitgliedern für fehlerarme Arbeitslastverteilung (workload management) und gutes Situationsbewußtsein (situational awareness) folgende wichtige Punkte aufgenommen:

  • Plane ausreichend Zeit für das Programmieren automatisierter Vorgänge vor dem Start der automatisierten Abläufe
  • Stelle sicher, dass alle Teammitglieder ständig über Status und Veränderungen der automatisierten Abläufe informiert sind
  • Erkenne für Dich und Dein Team potentielle Gefahren durch Ablenkung und Unaufmerksamkeit, die durch automatisierte Abläufe entstehen. Ergreife angemessene Vorbeugemaßnahmen

Gerade im Umgang mit Vorgängen, die durch Computer ausgeführt werden, sind Standardverfahren und Checklisten essenziell. Auch dazu habe ich vor kurzer Zeit einen Artikel veröffentlicht.

Selbst Arbeitsabläufe, die nicht direkt mit digitalisierten Prozessen zu tun haben, müssen der automatisierten Umgebung angepasst werden. So entstand eine Liste von „behavioral markers“, die es ermöglichen, Verhaltensmuster bei Trainings und Prüfungen weitgehend objektiv zu „messen“.

Außer den oben genannten Punkten gehören dazu:

  • Vermeide den „Tunnelblick“, sei Dir der Faktoren (z.B. Stress) bewusst, die Deine Aufmerksamkeit reduzieren
  • Überwache die Umgebungs-Faktoren (in der Luftfahrt z.B. Wetter, Instrumente und Funk) und kommuniziere relevante Informationen sofort
  • Bleibe gedanklich Deiner Ist-Situation voraus („5 Minuten vor dem Flugzeug sein“), um auf unerwartete Ereignisse schnell und richtig reagieren zu können
  • Stelle durch mündliche Kommunikation sicher, dass Dein Team (Crew) Deine Pläne kennt und versteht
  • Die Rollen- und Arbeitsverteilung im Team ist klar kommuniziert, verstanden und rückbestätigt
  • Stelle sicher, dass zweitrangige Tätigkeiten in der Prioritätenliste richtig eingeordnet werden
  • Erkenne und melde Arbeitsüberlastung und Verlust des Situationsbewusstseins bei Dir und Deinen Teammitgliedern ohne Verzögerung

Jeder dieser einzelnen Punkte muss nicht nur erlernt und eingeübt, sondern auch ständig trainiert werden.
Das gilt nicht nur für die Piloten, sondern für die gesamte Crew einschließlich des Bodenpersonals, der Flugzeugtechnik und der Flugsicherung.

Aus meiner Erfahrung als Manager und Berater weiß sich, dass in vielen Unternehmen kaum einer dieser Punkte in den Arbeitsprozessen definiert, geprüft oder trainiert wird. Das Ergebnis ist entsprechend.
Die Fehlerquote in Unternehmen ist konstant hoch, unabhängig vom Stand der Automatisierung.

Die Basis für ein gutes Fehlermanagement ist das Erlernen und Trainieren folgender Elemente nach den Standards des Crew-Resource-Managements (CRM):

  • Kommunikation
  • Führen in einer Hierarchie
  • Entscheiden unter Druck
  • Stressmanagement

Jeder einzelne dieser Punkte ist mit klaren Regeln untermauert, die alle Teammitglieder verinnerlicht haben. Diese Regeln sind sehr einfach und verständlich formuliert.
Sie gelten in der Verkehrsluftfahrt für alle am operativen Flugverkehr beteiligten Mitarbeiter.

Man hat in der Fliegerei gelernt, dass gerade in digitalisierten Arbeitsumgebungen das Führungs- und Arbeitsmodell CRM eine noch wichtigere Rolle für fehlerfreie Ergebnisse spielt, als in analogen Arbeitswelten.
Nur durch ein klares und trainiertes Mensch-Mensch-Maschine Verhältnis erwächst aus den Errungenschaften der digitalen Arbeitswelten die Chance, wirklich fehlerärmer und gewinnbringender zu arbeiten.

Gerade wo Computer in eine echte Zusammenarbeit mit Menschen eintreten, haben Zufälle, Handlungen aus vagen Erinnerungen und ein Verhalten, das durch die Tagesform geprägt ist, immer weniger Spielraum.
Der Mensch braucht neue Regeln und Verhaltensmuster für eine möglichst fehlerarme Zusammenarbeit mit Automaten. Das CRM liefert diese Regeln und passt sie dem technologischen Fortschritt laufend an.
Es ermöglicht dem Menschen, seine den Maschinen überlegenen Fähigkeiten (zum Beispiel Vorausschau, abschätzen und einordnen, Erfahrung) gewinnbringend mit den Vorzügen eines Automaten zu kombinieren. Am Ende des Prozesses kommt dann ein enorm fehlerarmer und effektiver Arbeitsablauf heraus.
Die Verkehrsluftfahrt beweist das jeden Tag.

Trotz kleiner Cockpitbesatzungen (auch ein Airbus A 380 oder eine Boeing 747 werden heute nur von zwei Piloten in Zusammenarbeit mit zahlreichen Computern geflogen), ständig zunehmendem Verkehrsaufkommen, extrem hoher Automatisierung und immer größeren Anforderungen an die Effizienz, hält die Verkehrsluftfahrt die Fehlerquote auf dem weltweit niedrigsten Stand aller Arbeitsplätze überhaupt – und senkt sie weiter!
Ansonsten wäre Fliegen für Sie heute keine Selbstverständlichkeit.

Quelle:

Helmreich, R. L., and Foushee, H. C. (2010) Why CRM? Empirical and theoretical bases of human factors training, Crew resource management.

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