„In der Verpackungsbranche steigt die Nachfrage nach flexiblen, vernetzbaren Lösungen“

„In der Verpackungsbranche steigt die Nachfrage nach flexiblen, vernetzbaren Lösungen

25.09.17 Die Dresdener KAMA GmbH baut mit 127 Mitarbeitern hoch flexible Stanz- und Veredelungsmaschinen für den Akzidenz- und Verpackungsmarkt. Im Interview spricht Geschäftsführer Marcus Tralau über die Bedeutung des Akzidenzbereichs, über den Trend zu Kleinauflagen und den Nachholbedarf bei der Digitalisierung im Verpackungsmarkt.

Herr Tralau, können Sie uns die KAMA GmbH kurz vorstellen?

Marcus Tralau: Die Anfänge des Unternehmens reichen bis zur Gründung der Sächsischen Cartonnagen-Maschinen-Actiengesellschaft vor 123 Jahren zurück. Später wurde daraus ein Betriebsteil von PLANETA. Mitte der 1990er Jahre bin ich aus Hamburg dazu gestoßen und habe die Firma mit zwei Mitstreitern aus dem damaligen Management als KAMA GmbH neu gegründet. Wir beschäftigen heute 127 Mitarbeiter, erzielen fast 15 Mio. Euro Umsatz und unsere F&E-Quote liegt bei circa 10 Prozent. Das schlägt sich auch in unserer Mitarbeiterstruktur nieder: Bei uns arbeiten ausschließlich gelernte Kräfte, ein Viertel davon Ingenieure.

Was sind die Schwerpunkte in ihrem Produktportfolio?

Tralau: Wir fertigen Stanz- und Veredelungsmaschinen für den Akzidenzbereich und für den Verpackungsmarkt. Akzidenzen bleiben wichtig. Wir erleben hier zwar nicht mehr die großen Wachstumsraten, aber das gedruckte Produkt lebt. Wie schnell sind digitale Inhalte gelöscht. Ein gut gemachtes Druckprodukt, das man in den Händen hält, erzielt da eine ganz andere Wirkung. Der Printmarkt lebt erst recht, wenn es um Verpackungen geht. Hier sind wir auf Maschinen zur Herstellung von Faltschachteln spezialisiert; wobei wir diese konsequent auf den Trend zu Kleinauflagen ausrichten. Wo bisher Millionen Schachteln am Stück produziert wurden, rufen Kunden heute on demand einige tausend Stück ab.

Woher rührt dieser Trend?

Tralau: Laut Untersuchungen bleibt fast ein Drittel aller Faltschachteln ungenutzt, oft wegen Veränderungen am Produkt oder im Marketing. Darum wird lieber on demand bestellt. Hinzu kommt die saisonale Vermarktung im Handel: Halloween, Valentinstag oder Sportereignisse werden in Kampagnen aufgegriffen. Da sind die Auflagen per se niedrig. Zudem gibt es den Trend zur Personalisierung von Verpackungen.

Welche Rolle spielt das Auslandsgeschäft für KAMA?

Tralau: Unsere Exportquote liegt bei über 80 Prozent. Ein Viertel unserer Maschinen geht nach Asien, ein weiteres Viertel nach Nord- und Südamerika, die andere Hälfte verteilt sich auf Europa und Afrika. Zu unserer Kundschaft zählen viele kleinere Akzidenzdruckereien, die unsere Maschinen in der Veredelung und zum Stanzen einsetzen. Hinzu kommen Anbieter aus dem dynamischen Web-to-print-Markt und Verpackungsdienstleister, die sich weltweit in der Nähe von Markenherstellern niederlassen; das ist ein konzentrierter Markt mit wenigen Akteuren, die weltweit Dutzende Werke betreiben.

Wie helfen Ihre Maschinen diesen Akteuren bei der Produktion von Kleinauflagen?

Tralau: Wir arbeiten stetig daran, die Rüstzeiten zu verkürzen und eine noch größere Breite an Anwendungen zu ermöglichen. Weil Verpackungstrends so schnell wechseln, sind hohe Flexibilität und nahtlose Einbindung in die digitalen Workflows der Druckereien gefragt. Bei Kleinauflagen gibt es bisher noch ein Nebeneinander von Offset- und Digitaldruck. Doch die Auflagen im Digitaldruck steigen. Wir sind darauf vorbereitet: Unsere Maschinen sind in der Lage, die Schwächen des Digitaldrucks in Präzision und Registergenauigkeit auszugleichen.

Wie weit sind die digitalen Workflows im Verpackungsmarkt?

Tralau: Weltweit erkennen Kunden, dass es wenig Sinn macht, Kleinauflagen digital zu drucken und die Zeitvorteile dann in manuellen Finishingprozessen wieder zu verlieren. Daher wächst die Nachfrage nach vernetzten, vollautomatisierten Weiterverarbeitungs- und Veredelungslösungen. Doch hinkt die Netzwerkintegration im Verpackungsmarkt dem Status im graphischen Druck hinterher. Wir wünschen uns Print-4.0-Prozessketten für den Verpackungsmarkt, müssen bisher aber Prozessdaten per QR-Code weitergeben. So sind nur halbautomatisierte Lösungen machbar. Die Maschinen melden keinen Auftragsstatus und rufen nicht von sich aus den nächsten Auftrag auf. Doch da wollen wir hin.

Warum?

Tralau: Damit unsere Kunden Kleinauflagen wirtschaftlicher produzieren können. Heute lehnen sie solche Aufträge ab oder nehmen es für wichtige Kunden in Kauf, kein Geld zu verdienen. Mit funktionierenden digitalen Workflows könnten sie maßgeschneiderte und bezahlbare Angebote für die Personalisierung und Veredelung von Kleinauflagen entwickeln.

Ihre Maschinen sind multifunktional. Sie stanzen, rillen, prägen, falten, kleben und inspizieren. Geht diese Flexibilität zulasten längerer Rüstzeiten?

Tralau: Die Alternative ist, für jeden Prozess eine Maschine anzuschaffen. Das lohnt sich nur für sehr hohe Auflagen. Wir adressieren Segmente, in denen Kunden ein paar Minuten mehr Umrüstdauer lieber sind, als ausufernde Investitionen in Maschinen, die sie dann nicht ausnutzen. Wir arbeiten stetig an optimierten Rüstzeiten und fahren einen modularen Ansatz, damit Kunden nur Funktionen kaufen müssen, die sie auch benötigen. Für Kleinauflagen im Verpackungsmarkt haben wir eine nahezu vollautomatisch einstellbare Faltschachtelklebemaschine entwickelt; Auftragswechsel dauern damit keine fünf Minuten.

Worauf liegen die Schwerpunkte in Ihrer Forschung und Entwicklung?

Tralau: Wir arbeiten an digitalen Lösungen für die Veredelung, die bis zur nächsten drupa Gestalt annehmen sollen. Auch entwickeln wir unsere Workflow- und Steuerungssoftware sowie die digitalen Schnittstellen unserer Maschinen weiter. Hier kooperieren wir eng mit den führenden Druckmaschinenbauern aus der analogen und digitalen Welt. Daneben ist der weltweite Service für ein Unternehmen unserer Größe eine Herausforderung. Fernwartung und Softwareupdates aus der Ferne machen wir. Augmented Reality, um Techniker von Kunden bei Wartungen und Reparaturen anzuleiten, beobachten wir. Es wäre eine große Erleichterung, aber noch ist die Technologie schlicht zu teuer.

Abschlussfrage: Was sehen Sie, wenn Sie sich KAMA im Jahr 2030 vorstellen?

Tralau: Haben Sie 1990 Smartphones kommen sehen? Was ich auch antworte, die Realität wird 2030 eine andere sein. Die Entwicklung verläuft nie so linear, wie wir es uns einreden.

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