„Als russische Truppen am 24. Februar 2022 die Ukraine angriffen, warfen führende deutsche Sozialdemokraten praktisch über Nacht jahrzehntelang bewährte Grundsätze der Friedenssicherung über Bord“, schreibt Butterwegge. „Anstatt der Militarisierung des Denkens, der Sprache und der Medienberichterstattung entgegenzutreten, gab Bundeskanzler Olaf Scholz dem Druck der veröffentlichten Meinung nach und verkündete in seiner von Ovationen begleiteten Parlamentsrede am 27. Februar 2022, jährlich ‚mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts‘, also mindestens die Hälfte mehr als bisher, für Rüstung ausgeben und ein Sondervermögen in der schwindelerregenden Höhe von 100 Milliarden Euro für die mit einem Rüstungshaushalt von gut 50 Milliarden Euro (nach Nato-Kriterien) angeblich schlecht ausgerüstete, weil ‚unterfinanzierte‘ Bundeswehr schaffen zu wollen.“
Wie manche Konservative und alle Rechtsextremisten dem Rüstungswahn zu verfallen, sei jedoch kein Beleg für die von Hardlinern sehnlich vermisste Führungsstärke des Kanzlers, sondern das Eingeständnis außen- und sicherheitspolitischen Versagens des Westens im Allgemeinen und der Bundesrepublik im Besonderen.
Butterwegge stellt in seinem Artikel Fragen wie: „Wieso hat niemand versucht, die Ukraine als neutralen Staat nach dem Beispiel Österreichs oder Finnlands ökonomisch und politisch einzubinden, aber russischen Einkreisungsängsten durch entsprechende Sicherheitsgarantien gleichfalls Rechnung zu tragen?“
Und weiter: „Wenn es schon ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro gibt, warum dann nicht für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut, für Bildung, Betreuung und Pflege, für die Alterssicherung von Geringverdiener(inne)n oder für den öffentlichen Wohnungsbau?"
Sein Fazit: Es sei eine „Illusion zu glauben, Sozialleistungen würden nicht gekürzt, weil das Sondervermögen für die Bundeswehr den Staatshaushalt nicht belaste“. Finanzminister Christian Lindner (FDP) gehe nämlich von "Einsparungen an anderer Stelle" aus.
Der russischen Militär- und Staatsführung um Präsident Wladimir Putin könne die deutsche Friedensbewegung nicht in den Arm fallen, weil sie keinen Einfluss auf dessen Politik hat, schließt der renommierte Sozialwissenschaftler: „Aber deutschen Rüstungsfanatikern, Kalten Kriegern und Militaristen kann man noch in den Arm fallen.“
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und zuletzt gemeinsam mit seiner Frau Dr. Carolin Butterwegge bei Campus das Buch "Kinder der Ungleichheit. Wie sich die Gesellschaft ihrer Zukunft beraubt" veröffentlicht.
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