„Coronahilfen verhindern notwendige Restrukturierungen im Mittelstand“

Disruptive Tendenzen stellen derzeit in fast jeder Branche etablierte Geschäftsmodelle infrage. Die aktive Gestaltung der neuen Realität zählt zu den zentralen Managementaufgaben in einer Welt „post-COVID". „Aktuell haben die staatlichen Coronahilfen bewährte Marktmechanismen außer Kraft gesetzt“, sagt Hans-Ulrich Bachert, Gründer und Geschäftsführer der Bachert Unternehmensberatung GmbH & Co. KG. Mit gravierenden Folgen speziell für den Mittelstand. Er empfiehlt, die Staatshilfen sinnvoll zu nutzen und jetzt präventiv zu restrukturieren, um der absehbaren Insolvenzwelle zuvorzukommen. Bezug nimmt er dabei auf eine Befragung seines Unternehmens von 72 Markt- und Branchenexperten für den Mittelstand, darunter Banken, Berater und Anwälte.

„Corona und die finanziellen staatlichen Eingriffe haben im Mittelstand im großen Umfang notwendige Restrukturierungen und den natürlichen Umbau verhindert“, so der erfahrene Restrukturierungsberater. Eine der Fragen, die sich jetzt stellt ist, gehen die staatlichen Hilfen nach der Wahl weiter? Die Überbrückungshilfe III und das Kurzarbeitergeld wurden bis Ende 2021 vorerst verlängert. Nach Einschätzung von Bachert ist nach der Regierungsbildung mit einer baldigen Rücknahme zu rechnen.

Corona beschleunigt die strukturellen Umwälzungen in zahlreichen Branchen. Besonders betroffen sind laut Umfrage der stationäre Handel, die Automobilindustrie, die Touristik und branchenübergreifend Kleinunternehmen. Lieferengpässe und explodierende Energie- und Rohstoffpreise verschärfen die Situation im produzierenden Mittelstand zusätzlich. Insgesamt ergibt sich eine „toxische Mischung“. Die Experten der Umfrage rechnen damit, dass die Insolvenzwelle sich ab Frühjahr 2022 langsam aufbauen wird.

Klassische Treiber für die Restrukturierung sind die Banken – jedoch stehen diese selbst unter Kostendruck und müssen härtere Eigenkapitalanforderungen erfüllen. Nach der Umfrage werden sich viele Banken die Begleitung von Sanierungen in der bisherigen Form nicht mehr leisten können. Wenn die Zahl der Fälle ansteigt, wird gerade im Mittelstand standardisiertes Vorgehen eine individuelle Betrachtung ersetzen. Gleichzeitig wird erwartet, dass unregulierte Hedgefonds aus dem In- und Ausland als Private Equity Investor die Finanzierung des notwendigen Umbaus übernehmen, denn Kapital ist in den Märkten im Überfluss vorhanden.

Deshalb lautet sein Appell an Unternehmer, nicht abzuwarten, sondern ihr Geschäft jetzt präventiv zu restrukturieren. „Konzerne arbeiten bereits mit enormen Investitionen an der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle – der Mittelstand muss nachziehen“. Viele werden seiner Meinung nach das Thema im nächsten Jahr noch aussitzen wollen, weil sie die Folgen nicht absehen können, den Aufwand fürchten – ein Fehler in seinen Augen. Denn an dieser Stelle ließen sich die noch laufenden Coronahilfen sinnvoll nutzen.

Damit kein Ausverkauf des Mittelstands droht, der die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand im Land immer getragen hat, geht sein Appell auch an die Politik, die Unternehmen z. B. mit erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten und einer stärkeren Förderung der Digitalisierung zu unterstützen.

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